In die neuen Richtlinien (Fassung 2023) hat das EUIPO einen Absatz aufgenommen, der (nach Ansicht des EUIPO) „klarstellt“, „dass das Amt mit der Prüfung der Anmeldung erst dann beginnt und keinen Anmeldetag zuerkennt, bis die Gebühr entrichtet wurde“. Zwar muss das EUIPO auch ohne Gebührenzahlung letztlich entscheiden, ob ein Anmeldetag auch dann zuerkannt werden kann. Jedoch möchte das EUIPO die Nutzer darauf hinweisen, dass es Monate dauern kann, bis ein Anmeldetag zuerkannt wird. Nichts hindert das EUIPO daran, einen Anmeldetag erst nach Ablauf der Prioritätsfrist zuzuerkennen (wie im Webinar des EUIPO zur Ausgabe der Richtlinien 2023 ab 1:52:26 Uhr ausdrücklich erklärt wird).
Die EU-Geschmacksmusterverordnung sieht zwar vor, dass die Gebührenzahlung keine Voraussetzung für die Zuerkennung eines Anmeldetags ist (im Gegensatz zur EU-Markenverordnung), aber die Praxis des EUIPO bedeutet, dass nach der Praxis des EUIPO die Gebührenzahlung die einzige Möglichkeit ist, um sicherzustellen, dass eine EU-Geschmacksmusteranmeldung als Grundlage für die Inanspruchnahme einer Priorität dienen kann.
Für eine deutsche nationale Anmeldung ist es nicht erforderlich, die Gebühren für eine Geschmacksmusteranmeldung zu entrichten, damit ein Anmeldetag zuerkannt wird. Anmelder, die sich ein Prioritätsdatum sichern möchten, aber noch nicht wissen, ob sie das Geschmacksmuster eintragen lassen wollen, könnten daher eine Anmeldung z. B. beim Deutschen Patent- und Markenamt in Erwägung ziehen. Leider kann dieser Ansatz Nachteile für nicht in DE ansässige Anmelder haben, die die Prioritätsanmeldung als Grundlage für eine internationale Eintragung nach dem Haager Geschmacksmusterabkommen nutzen möchten.