Recherchebericht für eine als zurückgenommen geltende Patentanmeldung

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung 1 W(pat) 11/23 hat das Bundespatentgericht entschieden, dass das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) für eine Patentanmeldung auch nach Eintritt der Rücknahmefiktion einen Recherchenbericht erstellen muss, sofern der Anmelder ein berechtigtes Interesse am Rechercheergebnis darlegt. In der Entscheidung wird das DPMAangewiesen, den Recherchebericht vor Ablauf der Prioritätsfrist zu erstellen.

Diese Entscheidung spiegelt zum einen die Bedeutung der amtlichen Rechercheergebnisse für Anmelder wider und unterstreicht zum anderen, wie wichtig es ist, das amtlichen Recherchenergebnisse rechtzeitig verfügbar sind.

Zum Hintergrund: Eine deutsche nationale Patentanmeldung gilt (wie im entschiedenen Fall) u.a. dann als zurückgenommen, wenn sie als Grundlage für einen Prioritätsanspruch für (a) eine weitere nationale deutsche Patentanmeldung oder (b) eine PCT-Anmeldung, die über das DPMA als Anmeldeamt eingereicht wird, ohne dass die Deutschland als Bestimmungsstaat ausgenommen wird. Dennoch kann der Anmelder ein berechtigtes Interesse an einem rechtzeitigen Recherchebericht haben (und hat dieses häufig auch), selbst in Fällen, in denen bereits eine prioritätsbegünstigte Nachanmeldung eingereicht wurde. So kann es in vielen Fällen für den Anmelder oder die Anmelderin ratsam sein, die Ansprüche und/oder die Gesamtoffenbarung einer (weiteren) Nachanmeldung unter Berücksichtigung der Rechercheergebnisse abzufassen.

Große Beschwerdekammer zur Übertragung des Prioritätsrechts

Die aktuelle Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G1/22 und G2/22 macht es einfacher, die wirksame Übertragung des Prioritätsrechts darzulegen und zu beweisen. Dies ist eine gute Nachricht für Patentanmelder und Patentinhaber, die bislang Schwierigkeiten hatten, den Nachweis eines gültigen Rechtsübergangs zu erbringen. In der Zusammenfassung des Europäischen Patentamts zu den tragenden Erwägungen heißt es: „Der Prioritätsanspruch wird vermutet, wenn die formalen Erfordernisse für die Inanspruchnahme der Priorität erfüllt sind. Diese Vermutung ist gerechtfertigt, weil (i) alle Beteiligten haben in der Regel ein Interesse daran, dass eine Anmeldung ein Prioritätsrecht in Anspruch nehmen kann, (ii) es keine formalen Anforderungen für die Übertragung von Prioritätsrechten gibt , und (iii) der Anmelder der Prioritätsanmeldung den Anmelder, der die Priorität beansprucht, unterstützen muss (z. B. durch Vorlage unveröffentlichter Dokumente).“

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass der Zeitpunkt der Übertragung noch vor der späteren Anmeldung liegen muss. Das bedeutet, dass es zwar einfacher ist, eine gültige Überweisung nachzuweisen, der Zeitpunkt der Überweisung aber immer noch entscheidend ist. Weitere Einzelheiten finden sich in den zahlreichen Kommentaren, die bereits zu diesen Entscheidungen veröffentlicht wurden. Siehe z. B. den DeltaPatents-Blog zu den Entscheidungen G1/22 und G2/22.

EPA T 1946/21 – Übertragung des Prioritätsrechts

In der relativ aktuellen Entscheidung der Beschwerdekammer T 1946/21 hat die Beschwerdekammer 3.2.03 entschieden, dass eine Übertragung des Prioritätsrechts am Anmeldetag der Nachanmeldung ausreichend ist, sofern der Anmelder/Patentinhaber nachweisen kann, dass die Übertragung zum Zeitpunkt der Einreichung der Nachanmeldung bereits erfolgt war. Die Kammer folgte nicht dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die Übertragung spätestens am Tag vor der Einreichung der Nachanmeldung erfolgen müsse.

Folgendes sollte man jedoch im Hinterkopf behalten: (i) Die EPA-Prüfungsrichtlinien (Abschnitt A.III.6 in der GL-Version 2023) enthalten Formulierungen („der Rechtsübergang der Anmeldung einschließlich des Prioritätsrechts (oder des Prioritätsrechts als solchem) [muss] vor dem Anmeldetag der späteren europäischen Anmeldung erfolgt [sein]“), die die Anwendbarkeit eines strengeren zeitlichen Kriteriums nahelegen. (ii) Nationale Rechtsprechung der EPÜ-Mitgliedstaaten (wie BPatG 11 W (pat) 14/09, Punkt II.B.2 a, diskutiert in T 1946/21) wendet ebenfalls zeitlich strengere Kriterien an als T 1946/21.

Es ist daher ratsam, mögliche Probleme im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Prioritätsanspruchs in Europa durch folgende Maßnahmen zu umgehen: (a) Übertragung des Prioritätsrechts auf den Anmelder der Nachanmeldung mindestens am Tag vor dem Anmeldetag, oder (b) Einreichung der Nachanmeldung mit dem Anmelder der Prioritätsanmeldung zumindest als Mitanmelder der Nachanmeldung.

T 1946/21 enthält auch interessante Passagen zu Fragen der Teilpriorität im Lichte von G 1/15.