Nichtigkeit von EU-Geschmacksmustern

Das EUIPO hat ein Webinar über Anträge auf Nichtigkeit von Geschmacksmustern angeboten, das für Praktiker sowohl sehr lehrreich als auch nützlich war.

Für Interessierte ist eine Aufzeichnung des Webinars mit dem Titel „Track on design: focus on invalidity of designs“ auf der Website des EUIPO abrufbar.

Hintergrundinformation für Leser aus dem Ausland: Im Zusammenhang mit den gewerblichen Schutzrechten innerhalb der Europäischen Union (EU) bezieht sich die Nichtigkeit von Geschmacksmustern auf den rechtlichen Vorgang, bei dem eine Partei die Gültigkeit eines eingetragenen Geschmacksmusters vor dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) anfechten kann. Ein Geschmacksmuster kann aus verschiedenen Gründen für ungültig erklärt werden, z. B. wenn es keine Neuheit aufweist, keine Eigenart besitzt oder wenn es nach dem Geschmacksmusterrecht der EU nicht schutzfähig ist.

Um ein Nichtigkeitsverfahren einzuleiten, kann jede Partei mit einem berechtigten Interesse einen Antrag beim EUIPO stellen. In diesem Antrag müssen die Gründe, auf denen der Nichtigkeitsanspruch basiert, dargelegt und die erforderlichen Nachweise bereitgestellt werden. Wenn das EUIPO das Design für ungültig erklärt, wird es gelöscht. Dieser Mechanismus ist von entscheidender Bedeutung, da er die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Gültigkeit von Designs ermöglicht und zur Aufrechterhaltung eines fairen Wettbewerbsumfelds auf dem Markt beiträgt.

Reform des EU-Designrechts

Sowohl die EU-Geschmacksmusterverordnung als auch die EU-Geschmacksmusterrichtlinie werden wahrscheinlich in naher Zukunft geändert werden. Für nähere Informationen kann ich die nachfolgend verlinkte sehr interessante Webinar-Aufzeichnung des EUIPO empfehlen.

Ein wichtiger Aspekt der Änderungen ist, dass die neuen Regelungen (ähnlich wie bei den Änderungen der Markenverordnung und -richtlinie vor einigen Jahren) es einfacher machen sollten, einen angemessenen Schutz für Designs zu erlangen, die in einem (modernen) elektronischen Register dargestellt werden können, ohne zwangsläufig durch die Beschränkung auf sieben grafische Darstellungen pro Geschmacksmuster eingeschränkt zu sein. Beispiele, bei denen dies wichtig ist, sind Videosequenzen.

Designschutz für Komponenten eines modularen Systems

In seinem Urteil vom 24. Januar 2024 in der Rechtssache T-537/22 entschied das Europäische Gericht, dass der Nichtigkeitsantrag gegen ein eingetragenes Design für einen Baustein eines modularen Systems zurückzuweisen sei. Das Europäische Gericht bestätigte die Entscheidung der Beschwerdekammer, nach der selbst dann, wenn alle Erscheinungsmerkmale des von dem angegriffenen Design geschützten Erzeugnisses ausschließlich durch ihre technische Funktion im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV)bedingt sind, das angegriffene Design nicht für nichtig erklärt werden kann, da es unter die Ausnahmeregelung zum Schutz von modularen Systemen nach Artikel 8 Absatz 3 GGV (Nummern 16 und 74 ff. von T-537/22).

Dieses Urteil des Europäischen Gerichts ist das zweite Urteil im Zusammenhang mit diesem Nichtigkeitsverfahren. Das Europäische Gericht hatte die Bedeutung von Art. 8(3) GGV bereits in der Rechtssache T-515/19 hervorgehoben. Das aktuelle Urteil T-537/22 bestätigt, (a) dass eingetragene Designs wirkungsvolle geistige Eigentumsrechte sein können, und (b) dass Artikel 8 Absatz 3 GGV eine Ausnahme von großer praktischer Bedeutung vorsieht, die für verschiedene Arten von modularen Systemen (und nicht nur für Fahrzeugreparaturteile) Relevanz hat. Dies steht im Einklang mit Erwägungsgrund (11) der GGV, in dem es heißt: „die mechanischen Verbindungselemente von Kombinationsteilen [können] ein wichtiges Element der innovativen Merkmale von Kombinationsteilen bilden und einen wesentlichen Faktor für das Marketing darstellen und sollten daher schutzfähig sein“.

EUIPO-Geschmacksmustergebühren & Priorität

In die neuen Richtlinien (Fassung 2023) hat das EUIPO einen Absatz aufgenommen, der (nach Ansicht des EUIPO) „klarstellt“, „dass das Amt mit der Prüfung der Anmeldung erst dann beginnt und keinen Anmeldetag zuerkennt, bis die Gebühr entrichtet wurde“. Zwar muss das EUIPO auch ohne Gebührenzahlung letztlich entscheiden, ob ein Anmeldetag auch dann zuerkannt werden kann. Jedoch möchte das EUIPO die Nutzer darauf hinweisen, dass es Monate dauern kann, bis ein Anmeldetag zuerkannt wird. Nichts hindert das EUIPO daran, einen Anmeldetag erst nach Ablauf der Prioritätsfrist zuzuerkennen (wie im Webinar des EUIPO zur Ausgabe der Richtlinien 2023 ab 1:52:26 Uhr ausdrücklich erklärt wird).

Die EU-Geschmacksmusterverordnung sieht zwar vor, dass die Gebührenzahlung keine Voraussetzung für die Zuerkennung eines Anmeldetags ist (im Gegensatz zur EU-Markenverordnung), aber die Praxis des EUIPO bedeutet, dass nach der Praxis des EUIPO die Gebührenzahlung die einzige Möglichkeit ist, um sicherzustellen, dass eine EU-Geschmacksmusteranmeldung als Grundlage für die Inanspruchnahme einer Priorität dienen kann.

Für eine deutsche nationale Anmeldung ist es nicht erforderlich, die Gebühren für eine Geschmacksmusteranmeldung zu entrichten, damit ein Anmeldetag zuerkannt wird. Anmelder, die sich ein Prioritätsdatum sichern möchten, aber noch nicht wissen, ob sie das Geschmacksmuster eintragen lassen wollen, könnten daher eine Anmeldung z. B. beim Deutschen Patent- und Markenamt in Erwägung ziehen. Leider kann dieser Ansatz Nachteile für nicht in DE ansässige Anmelder haben, die die Prioritätsanmeldung als Grundlage für eine internationale Eintragung nach dem Haager Geschmacksmusterabkommen nutzen möchten.